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vdp-Expert: Vollendung Kapitalmarktunion; Richtlinienentwurf der EU-Kommission zu gedeckten Schuldverschreibungen

Autor: Wolfgang Kälberer, Leiter EU-Vertretung Brüssel, vdp

Die EU-Kommission hat am 12. März 2018 den lang angekündigten „Richtlinienentwurf über die Emission von gedeckten Schuldverschreibungen und die öffentliche Aufsicht über gedeckte Schuldverschreibungen und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2014/59/EU ” vorgelegt. Parallel hierzu wird auch eine Novellierung des Art. 129 CRR vorgeschlagen, mit der die Anforderungen an die privilegierte Risikogewichtung von gedeckten Schuldverschreibungen ergänzt werden. Beide Vorschläge sind Teil des Maßnahmenpakets zur Vollendung der Kapitalmarktunion.

Ziel dieser Initiative ist es, die europäischen Covered Bonds Märkte durch verbindliche strukturelle Merkmale und Definitionen zu stärken. Dies gilt auch für Mitgliedstaaten, in denen Covered Bonds derzeit kaum oder gar nicht genutzt werden. Gleichzeitig soll die Grundlage gelegt werden, die bestehende privilegierte regulatorische Behandlung von Pfandbriefen und vergleichbaren gedeckten Schuldverschreibungen (Covered Bonds) in der EU auch für die  Zukunft abzusichern. Der Richtlinienentwurf ist prinzipienbasiert ausgestaltet und gewährleistet auf diese Weise ausreichende Spielräume für Traditionen und Besonderheiten der einzelnen nationalen Covered Bonds Regime. Gut funktionierende Covered Bonds Märkte werden somit nicht beeinträchtigt und können weiterhin auf ihre Stärken bauen. Wir begrüßen diesen Ansatz, den wir schon sehr früh anlässlich der ersten regulatorischen Überlegungen eingefordert haben. Prinzipienbasiert bedeutet nicht inhaltsarm. Im Gegenteil wird ein vollständiger Rechtsrahmen für gedeckte Schuldverschreibungen definiert, der gut strukturiert erscheint und alle Kernelemente abdeckt, die für eine hohe Qualität und Sicherheit gedeckter Schuldverschreibungen in der EU notwendig sind.

Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem die Ausgestaltung der öffentlichen Aufsicht über Covered Bonds, die die bisherige Aufsichtspraxis in einer Reihe von Mitgliedstaaten deutlich aufwerten und dadurch das Vertrauen der Investoren in die Asset-Klasse weiter stärken dürfte.

Konkret adressiert der Vorschlag alle Tatbestandsmerkmale, die von der Definition einer gedeckten Schuldverschreibung gemäß Art. 52 Abs. 4 OGAW-Richtlinie* erfasst werden. Folgerichtig soll diese Vorschrift auch durch die Richtlinie ersetzt werden.

Deckungswerte

Für deckungsfähige Vermögenswerte werden nur grobe Parameter vorgegeben, eine abschließende Aufzählung oder konkrete Bezeichnungen gibt es nicht. Hieraus könnten sich gewisse qualitätsrelevante Unsicherheiten ergeben. Gemäß Artikel 6 des Entwurfs sind hochqualitative und besicherte Assets erforderlich. Zwar lassen sich aus den in dieser Vorschrift enthaltenen Kriterien (Bewertbarkeit, Vollstreckbarkeit, Rechtssicherheit) wie auch über den Verweis auf die privilegierungsfähigen Deckungswerte des Art. 129 CRR gewisse qualitative Anforderungen herauslesen, die Entscheidung über die deckungsfähigen Vermögenswerte wird letztlich aber den Mitgliedstaaten überlassen. Da unter die zulässigen Sicherheiten nicht nur Grundpfandrechte, sondern auch Belastungen im weiteren Sinne, Pfandrechte oder andere Garantien fallen, erscheint der Interpretationsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzung der Richtlinie so groß, dass der Vorschlag deutlich mehr Deckungswerte ermöglichen dürfte, als sie z.B. im deutschen Pfandbriefgesetz zugelassen sind. Eine solche Erweiterung der deckungsfähigen Vermögenswerte wird von der EU-Kommission zumindest hingenommen – wenn sie nicht sogar beabsichtigt ist, um Kreditinstituten mehr Möglichkeiten
zur Finanzierung der Realwirtschaft einzuräumen.

Es sollte zumindest darüber nachgedacht werden, die Anforderungen an die Deckungsfähigkeit zu verschärfen oder weitere qualitative Kriterien vorzusehen, um nicht zuletzt auch eine klare Trennung zu der noch im Prüfungsstadium befindlichen ESN-Initiative (European Secured Notes) sicherzustellen.

Wir empfehlen, die Anforderung der hochqualitativen Assets durch eine abschließende Liste deckungsfähiger Vermögensgegenstände zu ergänzen.

Finanzierungen in Drittstaaten

Wir begrüßen, dass auch Finanzierungen in Drittstaaten weiterhin deckungsfähig bleiben. Die Mitgliedstaaten müssen prüfen, ob die außerhalb des EU/EWR Raumes belegenen Deckungswerte die Anforderungen des Artikels 6 erfüllen und einer mit den EU Regeln vergleichbaren Vollstreckbarkeit unterliegen. Diese Anforderungen erscheinen zielführend. Pooling und gemeinsame Finanzierungen (joint funding) Mit dem Richtlinienvorschlag möchte die EU-Kommission bekanntlich auch Volumen und Liquidität kleinerer Covered Bond Märkte verbessern bzw. kleinere Banken in die Lage versetzen, zu  wettbewerblichen Konditionen Covered Bonds zu emittieren. Hierzu schlägt sie zwei Mechanismen vor: zum einen die Bündelung von deckungsfähigen Finanzierungen verschiedener Kreditinstitute (joint funding) und zum anderen die Deckungsfähigkeit von Covered Bonds innerhalb einer Bankengruppe. Letztere Variante würde es einer Konzernmutter ermöglichen, von der Tochter emittierte Covered Bonds für die eigene Covered Bond Emission in Deckung zu nehmen. Hierbei dürfte der interne Übertragungsmechanismus nicht nur auf  Verpfändungslösungen (mit Covered Bonds besicherte Forderungen) beschränkt bleiben, sondern sollte auch eine vollständige  Veräußerung/Verkauf der Covered Bonds an die Konzernmutter ermöglichen.

Beide Vorschläge sind aus unserer Sicht geeignet, positive Impulse für bislang schwach entwickelte Covered Bond Märkte zu setzen. Indessen fragt sich, warum der Richtlinienvorschlag die beiden Mechanismen nur für Hypothekenfinanzierungen gestattet. Es wäre sicherlich angebracht, auch das Staatskreditgeschäft für ‚joint funding-‘ und ‚Pooling-Lösungen‘ zuzulassen.

Homogenität der Deckungswerte

Etwas verwirrend ist Artikel 10 des Entwurfs formuliert, der die Zusammensetzung der Deckungspools regelt. Demnach sollen die Mitgliedstaaten für ein ausreichendes Maß an Homogenität der Deckungspools sorgen. Es werden ähnliche Eigenschaften der Deckungswerte im Hinblick auf deren strukturellen Merkmale, Fälligkeiten oder Risikoprofile gefordert.

Die Thematik entstammt den ‚Principles of Best Practice‘ der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) aus dem Jahr 2014 und den EBA Empfehlungen vom Dezember 2016. Wir glauben jedoch nicht, dass es an dieser Stelle überhaupt Handlungsbedarf gibt. Zum einen lösen unbestimmte Rechtsbegriffe wie ‚ausreichendes Maß‘ oder ‚ähnliche Eigenschaften‘ nicht nur erhebliche Rechtsunsicherheiten aus, sondern führen auch zu Divergenzen bei der Umsetzung in nationales Recht, die durch unterschiedliche Auslegungen seitens der jeweiligen Gesetzgeber bedingt sind.

Zum anderen sind die Investoren aufgrund der zwischenzeitlich sehr detaillierten Transparenz- und Informationspflichten in der Lage, sich ein umfassendes Bild über die Zusammensetzung der   Deckungspools zu machen.

Um in der europäischen Fachsprache zu bleiben: wo es keine ‚Dysfunktion‘ gibt, gibt es auch keinen Regulierungsbedarf. Artikel 10 sollte gestrichen werden.

Trennung der Deckungswerte in der Insolvenz der Bank

Die Vorschriften des Artikels 12 über die Trennung der Deckungswerte von den restlichen Vermögenswerten im Insolvenzfall des Emittenten stellen ein Kernelement für die Sicherheit gedeckter Schuldverschreibungen dar. Bei dieser Thematik besteht die  besondere Herausforderung darin, die Anforderungen oder  Mechanismen so zu formulieren, dass sie mit allen Covered Bond Modellen in der EU kompatibel sind. Dies scheint im Grundsatz  gelungen zu sein. Das Auslösen der ‚asset segregation‘ dürfte  indessen davon abhängen, ob der Emittent unter das Regime der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten fällt (BRRD). Denn dann kämen die Rettungs- und Sanierungsinstrumente zum Zuge, die letztlich den Erhalt der Bank zum Ziel haben, also eine Sonderinsolvenz der Deckungspools gerade vermeiden wollen. Hier würde sich eine entsprechende Einschränkung im Richtlinientext empfehlen. Auch sollte die Vorschrift um eine Klarstellung dahingehend ergänzt werden, dass die Trennung der Vermögenswerte erst nach Eröffnung der Insolvenz zu erfolgen hat und nicht schon während des normalen Bankbetriebs. Vor Insolvenzeröffnung muss es ausreichen, dass die Deckungswerte durch Eintragung in das Deckungsregister identifizierbar und somit von den restlichen Vermögenswerten der Bank unterscheidbar sind.

Laufzeitverlängerung

Eine ähnliche Komplexität verbirgt sich hinter Artikel 17, der die Bedingungen für verlängerbare Fälligkeitsstrukturen definiert, die auf alle ‚soft bullet‘ und ‚conditional pass-through‘ (CPT) Strukturen Anwendung finden. Gesetzliche Regelungen zu diesen Mechanismen auf nationaler Ebene finden sich kaum; der Markt charakterisiert sich durch eine Vielfalt vertraglicher Gestaltungen, die sich nicht nur von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, sondern auch von Emittent zu Emittent unterscheiden können. Vor diesem Hintergrund erscheint die Formulierung gesetzlicher Parameter auf europäischer Ebene besonders herausfordernd, da sie einerseits ausreichend flexibel, andererseits aber auch hinreichend bestimmt sein müssen.

Wir sehen Korrekturbedarf an den folgenden zwei Stellen:

Gemäß Artikel 17 Abs. 1 (b) des Entwurfs darf die Auslösung der Laufzeitverlängerung nicht im Ermessen des Emittenten liegen. Dies ist eine wichtige Anforderung. Allerdings muss klargestellt werden, dass sich der Ausschluss des Ermessens nur auf die Phase vor der Insolvenzeröffnung bezieht. Ab Insolvenzeröffnung muss ein Verwalter/Sachwalter des Sondervermögens natürlich über einen Ermessensspielraum für die ordnungsgemäße Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens verfügen.

Sodann darf sich gemäß Artikel 17 Abs. 1(e) die  Laufzeitverlängerung nicht nachteilig auf den Rang von Anlegern in gedeckte Schuldverschreibungen auswirken. Fraglich ist, ob sich das Tatbestandsmerkmal ‚Rang‘ auf die Rangfolge der Covered Bond Gläubiger im Insolvenzverfahren oder auf die Reihenfolge der Zahlungsströme/Auszahlungen an die Gläubiger bezieht. Es sollte klargestellt werden, dass die Reihenfolge der Zahlungsströme gemeint ist.

Öffentliche Aufsicht über gedeckte Schuldverschreibungen

Wir begrüßen die in Titel III des Richtlinienvorschlags enthaltenen Regeln zur öffentlichen Aufsicht über gedeckte  Schuldverschreibungen. Sie stärken die Aufsichtspraxis in den  Mitgliedstaaten, die Qualität und Sicherheit gedeckter  Schuldverschreibungen in der EU und das Investorenvertrauen in den Covered Bond Markt. Klarheit wird auch über die zuständigen Behörden geschaffen. Positiv ist, dass die Zuständigkeit nicht nur für die laufende öffentliche Aufsicht, sondern auch für die Lizenzvergabe bzw. Genehmigung von Covered Bond Programmen bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleibt. Dies gilt auch für die sog. EZB-Banken. Diese Zuweisung beruht auf der Ausgestaltung der öffentlichen Covered Bond Aufsicht als Produktaufsicht mit dem Schwerpunkt des Anlegerschutzes und nicht als Bankaufsicht. Somit wird ein Kompetenzkonflikt mit dem „Single Supervisory Mechanism” (SSM) vermieden. Zielführend ist schließlich auch die Ausgestaltung des Treuhänderwesens in Artikel 13, die offensichtlich von den Grundsätzen des deutschen Pfandbriefgesetzes inspiriert wurde. Die Verortung dieser Vorschrift unter Kapitel 2 „Deckungspool und Deckung” macht deutlich, dass das Treuhänderwesen nicht unter die öffentliche Aufsicht fällt. Somit befreit die Tätigkeit eines Treuhänders die öffentliche Aufsicht nicht von ihren in den Artikeln 18 bis 22 geregelten Rechten und Pflichten.

Gütesiegel

Durch Artikel 27 des Entwurfs wird für alle richtlinienkonformen gedeckten Schuldverschreibungen das Gütesiegel ‚Europäische gedeckte Schuldverschreibung‘ eingeführt. Aus den Erwägungsgründen geht hervor, dass dieses Siegel den jeweiligen nationalen Bezeichnungsschutz nicht ersetzen soll und sich in erster Linie an solche Mitgliedstaaten wendet, die noch nicht über Bezeichnungen oder Gütesiegel verfügen.  Dennoch glauben wir, dass ein solches Gütesiegel auf die ‚Premiumklasse‘ der Art. 129 CRR kompatiblen gedeckten Schuldverschreibungen beschränkt bleiben sollte. Der Vorschlag würde das deutlich breitere Segment der richtlinienkonformen Covered Bonds prämieren und das Premiumsegment ohne Auszeichnung belassen.

Novelle des Artikel 129 CRR

Der parallel zum Richtlinienvorschlag vorgelegte Verordnungsentwurf zu Artikel 129 CRR erscheint schlüssig. In der Tat gibt es an etlichen Stellen Bedarf, die Anforderungen an die bevorzugte Eigenkapitalgewichtung von gedeckten Schuldverschreibungen zu ergänzen und Auslegungsspielräume zu beseitigen. So soll die Deckungsfähigkeit von Mortgage Backed Securities (MBS) beendet und gegen gruppenintern emittierte Covered Bonds ausgetauscht werden. Wir begrüßen, dass darüber hinaus keine Änderungen bei den deckungsfähigen Vermögenswerten vorgeschlagen werden. Sodann werden die in Art. 129 Abs. 7 enthaltenen Informations- und Transparenzpflichten korrekterweise in die Basisrichtlinie verschoben und es wird klargestellt, dass es sich bei den Beleihungsgrenzen um ‚weiche‘ Grenzen handelt, die ein Kreditsplitting ermöglichen. Schließlich werden auch Ersatzdeckungswerte und Überdeckungsanforderungen eingeführt. Die zukünftig für die privilegierte Behandlung von gedeckten Schuldverschreibungen erforderliche Überdeckung wird mit 5% skaliert. Unter bestimmten konservativen Voraussetzungen kann diese Kennziffer für  Staatskredite und Immobilienfinanzierungen bis auf 2% abgesenkt werden. Wir empfehlen an dieser Stelle, dass für eine solche Reduzierung nicht die nationale Aufsichtsbehörde, sondern der jeweilige Mitgliedstaat zuständig sein sollte.

Fazit

Das Regulierungspaket scheint insgesamt gut gelungen und  geeignet, die angestrebten Ziele zu erreichen. Sicherlich gibt es an etlichen Stellen noch Korrektur- bzw. Anpassungsbedarf, etwa bei der Definition der Deckungswerte oder der Homogenität der Deckungsmassen. Die EU-Kommission hat sich aber eine gute Ausgangsposition für das weitere Gesetzgebungsverfahren erschlossen und wahrt somit auch die Perspektive, das Verfahren noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Die prinzipienbasierte Ausgestaltung des Richtlinientextes schließt notwendigerweise die Nutzung etlicher unbestimmter und auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe ein. Es wäre inkonsequent, die damit verbundene vermeintliche Rechtsunsicherheit im jetzigen Verfahren zu kritisieren. Denn sie bedingt die Flexibilität bei der späteren Umsetzung. Daher wird es darauf ankommen, den Umsetzungsprozess in nationales Recht eng zu begleiten und sicherzustellen, dass der nationale Gesetzgeber die europäischen  Vorgaben in adäquater und systemkonformer Weise in sein jeweiliges Regime einpasst. Der vdp wird sich dieser Aufgabe mit Engagement stellen.