#wirimwandel: Interview mit Uwe Dürkop

Uwe Dürkop Chefvolkswirt, Berliner Sparkasse


Krieg, Energieversorgung, Inflation: Die Welt steht vor enormen Herausforderungen und einer grundlegenden Wende. Wie stellen Sie sich in Ihrem Institut auf den Wandel ein?

In einer so schwierigen Gemengelage haben wir uns in der Tat lange nicht mehr befunden. Zu den Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kommen ja noch weitere Angebotsengpässe hinzu, die sich aus dem chronischen Fachkräftemangel und dem hohen Handlungsdruck zur grünen Transformation ergeben. Doch auch in dieser Krise gilt: Auf das stabile Geschäftsmodell der Sparkassen ist Verlass. Allerdings sind uns die derzeitigen Gefahren sehr bewusst. Wir sehen, dass sich beispielsweise viele Privathaushalte finanzielle Vorsorge kaum mehr leisten können, sich die Dynamik beim Bauen verlangsamt und für immer mehr Menschen eine eigene Immobilie unerschwinglich geworden ist. Um dafür Lösungen zu finden und Orientierung zu geben, sucht die Berliner Sparkasse aktiv das Gespräch mit ihren Kundinnen und Kunden. 

Welche wirtschaftliche Entwicklung erwarten Sie für Deutschland in den nächsten drei Jahren und mit welchen Auswirkungen auf den Immobilien- und Pfandbriefmarkt rechnen Sie?

Gesamtwirtschaftlich betrachtet sinken mit den nachhaltig gestiegenen Energiepreisen die Ausgabespielräume und wirtschaftspolitisch wird auf Dauer auch nicht alles aufgefangen werden können. Die Folgen für die Haushalte sind zwar zu erahnen, aber nur in Bruchteilen schon direkt spürbar – daher ist die Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher immens. Ähnlich verhält es sich mit dem BIP-Verlauf: Für 2022 wird sicher noch ein Zuwachs oberhalb von 1 % ausgewiesen werden können, doch schon im zurückliegenden Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung gesunken sein und auch über den Winter weiter nachlassen. Positiv bleibt, dass der Anstieg der Arbeitslosenzahlen trotz Rezession nicht so stark ausfallen wird. Hier helfen uns demographische Trends, die den Tarifpartnern starke Anreize zur Beschäftigungssicherung liefern. Darüber hinaus wird vieles vom Fortschritt der Energiewende abhängen. Je schneller wir russische Lieferungen nachhaltig ersetzen können, um so eher dürfen wir mit einer konjunkturellen Wende zum Besseren rechnen. Ich hoffe, dass dies zum zweiten Halbjahr 2023 gelingt. 

Kreditinstitute nehmen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen eine Schlüsselrolle ein. Was ist Ihr Appell an Aufsicht und Politik?

Wir wollen als Berliner Sparkasse dazu beitragen, dass die Berliner Wirtschaft möglichst gut durch die schwierige Zeit kommt. Viele Unternehmen brauchen jetzt Unterstützung und Beratung, um Arbeitsplätze und ihre Zukunft zu sichern. Zudem müssen gesellschaftliche Spaltungen unbedingt vermieden werden. Temporäre und von der Politik mit Augenmaß vorgenommene Eingriffe in Marktprozesse sind unter den aktuell außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt – Stichwort: Gaspreisbremse. Allerdings so, dass etwa Sparanreize durch Preise dennoch erhalten bleiben. Es ist eine Frage der richtigen Balance. Dies gilt auch für die Kreditvergabe von Banken und Sparkassen. Denn der energetische Umbau unserer Wirtschaft erfordert mehr Anstrengungen und zusätzliche Investitionen. Daher sollte die Kreditversorgung nicht ausgebremst werden. Dies wäre auch bei möglichen zusätzlichen Kapitalanforderungen an Kreditinstitute zu bedenken.