#wirimwandel: Interview mit Christoph Bohn

Christoph Bohn Vorstandsvorsitzender, Alte Leipziger Holding AG

Krieg, Energieversorgung, Inflation: Die Welt steht vor enormen Herausforderungen und einer grundlegenden Wende. Wie stellen Sie sich in Ihrem Institut auf diesen Wandel ein?

Da aufgrund unserer Ausrichtung auf den deutschen Markt keine direkten Verflechtungen nach Russland oder in die Ukraine bestehen, sind wir von den Folgen des Krieges indirekt betroffen. Neben der gestiegenen Volatilität an den Kapitalmärkten sind es vor allem die Inflation und die steigenden Energiekosten, die wir, unsere Mitarbeiter und unsere Kunden, als Folgen des Krieges spüren. Wir bewerten die daraus resultierenden Risiken fortlaufend im Rahmen unserer Risikosteuerung. Unsere grundsätzliche Ausrichtung auf Kundenzentrierung und den weiteren Ausbau digitaler Prozesse und Services hat jedoch weiterhin Gültigkeit. 

Welche wirtschaftliche Entwicklung erwarten Sie für Deutschland in den nächsten drei Jahren, und mit welchen Auswirkungen auf den Immobilien- und Pfandbriefmarkt rechnen Sie?

In unserer Planung haben wir einen Rückgang der Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr eingepreist. Wir gehen davon aus, dass die Inflation wieder nachlässt, wenn sich Geld- und Gütermengen bald wieder tendenziell in einem neuen Gleichgewicht befinden. Dies wird sich freilich auf einem höheren nominalen Preisniveau befinden. Das Bruttoinlandsprodukt wird sich ab 2024 wieder entlang der langfristig historisch beobachtbaren Produktivitätsfortschritte entwickeln. 
 
Die Zinsentwicklung führt derzeit zu einem unerwarteten Aufschwung des Bausparens. Zinsabsicherung ist das Gebot der Stunde und das Neugeschäft entwickelt sich ausgesprochen stark. Entsprechend wird sich der Pfandbriefmarkt als Refinanzierungsinstrument darstellen.
 
Bereits während der Corona-Pandemie war ein deutlicher Anstieg der Baupreise zu erkennen. Dies ist auf den bestehenden Fachkräftemangel, aber auch auf fehlende Baustoffe und einen zusätzlichen Bauboom zurückzuführen. Die Baupreise sind daher bereits in den vergangenen beiden Jahren gestiegen und werden inflationsbedingt voraussichtlich weiter ansteigen. Dies kann die Immobiliennachfragen dämpfen und die Kaufpreisdynamik etwas entschärfen.

Kreditinstitute nehmen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen eine Schlüsselrolle ein. Was ist Ihr Appell an Aufsicht und Politik?

Die eigenen vier Wände sind der Schlüssel für die Vermögensbildung normalverdienender Haushalte. Den Aufbau von Eigenkapital gilt es weiterhin zu fördern - sowohl politisch wie auch wirtschaftlich. Ebenso die energetische Sanierung, die durch die Energiekrise zusätzliche Relevanz bekommen hat. Bei Wohnungsneubau und Sanierungen rückt neben ausreichend Kapital auch die praktische Realisierung in den Vordergrund. Insbesondere Handwerksbetriebe im Bausektor sind in einem Spannungsfeld zwischen Fachkräftemängel, Lieferengpässen und hohen, inflationsbedingten Energiekosten und sollten deshalb auch im Fokus der politischen Bemühungen stehen.