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Tradition und Innovation passen gut zueinander

Dr. Louis Hagen, Präsident des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken und Vorsitzender des Vorstands der Münchener Hypothekenbank eG zum 150jährigen Jubiläum der Berlin Hyp

Gastbeitrag, erschienen in der Sonderbeilage der Börsenzeitung vom 15. Mai 2018.

Die Geburtsstunde des deutschen Pfandbriefs jährt sich im kommenden Jahr zum 250. Mal. Über die Jahrhunderte hat er sich zu einem der wenigen Exportschlager des deutschen Finanzplatzes und zu einem Inbegriff von Zuverlässigkeit und Qualität entwickelt. Dass dies gelungen ist, verdankt er nicht zuletzt seinen Emittenten, mit deren eigener Geschichte die Entwicklung des Pfandbriefwesens, wie wir es heute kennen, eng verbunden ist. Eine bedeutende Rolle in dieser Entwicklung spielt die Berlin Hyp, deren lange Tradition nunmehr 150 Jahre zurückreicht. Mit „Allerhöchstem Erlass“ genehmigte Wilhelm I. König von Preußen am 8. Mai 1868 die Statuten der Bank, die damals noch Berliner Pfandbrief-Institut hieß, und bewilligte zugleich das Privileg „Pfandbriefe und Kupons“ auszustellen. Die Berlin Hyp und ihre Vorgängerinstitute haben seither kontinuierlich und über alle historischen Entwicklungsstufen des Marktes hinweg Pfandbriefe emittiert. Mit einem ausstehenden Volumen von reichlich 15 Milliarden Euro zählt das Institut bis heute zu den größeren Pfandbriefemittenten.

Zum Zeitpunkt ihrer Gründung waren die gesetzlichen Grundlagen zur Emission von Pfandbriefen noch stark fragmentiert und blieben es auch bis weit nach der Reichsgründung. Mit dem Inkraftreten des Hypothekenbankgesetzes (HBG) für die privaten Hypothekenbanken im Jahr 1899 und des Gesetzes über die Pfandbriefe öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute (ÖPG) im Jahr 1931 gab es dann erstmals eine Vereinheitlichung.

Heute bildet das Pfandbriefgesetz den allgemeinen Rechtsrahmen für alle Pfandbriefemittenten in Deutschland. In ihm wurden die bis dahin existierenden unterschiedlichen Gesetzesrahmen 2005 vereint.

Für den Betrieb des Pfandbriefgeschäfts ist seitdem unabhängig von der Rechtsform des Emittenten die Erfüllung der im Pfandbriefgesetz und zugehörigen Verordnungen kodifizierten Anforderungen und die daran geknüpfte Erteilung einer Pfandbrieflizenz erforderlich.
 
Seine hohe Qualität und Stabilität haben den Pfandbrief zu einem Erfolgsprodukt gemacht, das von Investoren im In- und Ausland geschätzt wird.

Die Gruppe der Emittenten ist seit dem Inkrafttreten des Pfandbriefgesetzes von damals rund 40 auf heute knapp 80 Emittenten deutlich gewachsen und der Pfandbrief hat sich – nicht zuletzt dank der in der Finanzkrise bewiesenen hohen Stabilität – vom Hauptrefinanzierungsinstrument der Spezialinstitute zu einem strategisch wichtigen Instrument der gesamten Kreditwirtschaft weiterentwickelt. Bis heute sind Pfandbriefe dank ihrer langjährigen Tradition ein bedeutendes und krisenerprobtes Scharnier zwischen Realwirtschaft und Kapitalmarkt.

Damit das so bleibt, muss das Produkt regelmäßig überprüft und an das sich ändernde Umfeld angepasst werden. Ende vergangenen Jahres wurde mit dem Abschluss des Basel-III-Reformpakets erstmals die weltweite Privilegierung gedeckter Schuldverschreibungen aufgenommen. Gleichzeitig stehen neue Herausforderungen vor der Tür, insbesondere die von der Europäischen Kommission angestrebte Harmonisierung von Covered Bonds, aber auch die sich wandelnden gesellschaftlichen Ansprüche und Anlegerbedürfnisse, die sich beispielsweise in dem EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ widerspiegeln.

Anstoß zur Harmonisierung gedeckter Schuldverschreibungen

Die von der Europäischen Kommission Anfang dieses Jahres vorgestellten Pläne zur Harmonisierung gedeckter Schuldverschreibungen sind Teil des Vorhabens, den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr in Europa zu fördern und zu vertiefen. Dass die Kommission für ihre Pläne zur Vollendung der Kapitalmarktunion auch Covered Bonds heranziehen möchte, liegt an deren großer Popularität: Ausgehend vom Erfolg des Jumbo-Pfandbriefs ab Mitte der 90er Jahre haben sie sich in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgreich etabliert. Mit dem Entwurf zur Harmonisierung von Covered Bonds beabsichtigt die Kommission, den 2.400 Milliarden Euro schweren Covered-Bond-Markt in Europa für neuartige Deckungswerte zu erschließen. Zugleich soll  er  durch verbindliche Merkmale und Definitionen qualitativ gestärkt und stärker standardisiert werden. So will die Kommission die Grundlage schaffen, um die bestehende privilegierte regulatorische Behandlung von Pfandbriefen und gedeckten Schuldverschreibungen in Europa auch in Zukunft zu sichern. Das Gesetzespaket der Kommission besteht aus einer allgemeinen Covered Bond Richtlinie und einer inhaltlichen Schärfung des Artikel 129 der „Capital Requirements Regulation“ CRR.

Der Richtlinienvorschlag ist prinzipienbasiert und stützt sich auf die wesentlichen traditionellen Qualitätsmerkmale gedeckter Schuldverschreibungen. Nachbesserungsbedarf besteht aus Sicht der Pfandbriefbanken lediglich im Detail. Insbesondere sollten die Anforderungen an die Deckungsfähigkeit von Aktiva noch detaillierter und strikter ausfallen, um das Qualitätsprodukt Covered Bond noch besser zu schützen. Bislang fordert die Kommission in ihrem Vorschlag nur sehr allgemein qualitativ hochwertige Deckungsaktiva, ohne jedoch die exakten Anforderungen an zulässige Deckungswerte im Detail auszuführen. Durch diese allgemeine Formulierung soll der Covered-Bond-Markt für neuartige Deckungsaktiva geöffnet werden, um zusätzliches Wachstum der Realwirtschaft zu günstigen Konditionen zu finanzieren.

Ohne dieses Ziel in Frage zu stellen, sind die Pfandbriefbanken überzeugt, dass Covered Bonds nicht für die Finanzierung jedweden Kreditgeschäfts geeignet sind. Sie müssen es nicht sein, weil Banken über ein breites Spektrum an Refinanzierungsmöglichkeiten verfügen. Ein höherer Detaillierungsgrad der Definition von Deckungswerten ist im Interesse der Produktqualität dringend geraten, um den europäischen Covered Bond Markt effektiv vor Trittbrettfahrern zu schützen.

Das Vorhaben der Kommission verbessert die Zukunftsperspektiven von Covered Bonds als einem Schlüsselprodukt der Bankenrefinanzierung in Europa und stellt ihre regulatorische Privilegierung auf ein stabiles Fundament. Die Pfandbriefbanken begrüßen die weitgehende Orientierung der Regelungen des Richtlinienentwurfs sowie des Artikels 129 CRR an den bewährten Standards des Pfandbriefgesetzes. Entscheidend ist aus ihrer Sicht, dass die Regeln den erforderlichen Raum für die qualitative Weiterentwicklung nationaler Produkte wie dem Pfandbrief lassen.

Finanzierung nachhaltigen Wachstums

Ein weiterer Vorstoß der Europäischen Kommission ist der Anfang März veröffentlichte Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“, mit dem unter anderem mehr Kapital in nachhaltige Investitionen gelenkt werden soll. Als Finanzierungsinstrument für nachhaltige Investitionen bietet sich insbesondere der auf Langfristigkeit angelegte Pfandbrief an. Allerdings muss zunächst auf der Aktivseite ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit und nachhaltigen Vermögenswerten beziehungsweise Finanzierungsobjekten gefunden werden. Bestandteil der Pläne der Kommission ist daher eine Klassifizierung nachhaltiger Assets, wobei der Fokus zunächst auf „grünen“ Vermögenswerten liegen soll. Eine solche Klassifizierung wäre ein wichtiger Schritt, um Kapitalgebern einen klaren Orientierungsrahmen und damit mehr Sicherheit zu geben.

Für den Erfolg dieses Projekts wird es entscheidend darauf ankommen, diesen Rahmen belastbar und zugleich auch flexibel auszugestalten, um Fortschritt und Innovation den erforderlichen Raum zu lassen. Denn zum einen ist die Interpretation von „grün“ nicht überall gleich: Was in einem Land eine deutliche Verbesserung der Klimabilanz darstellen mag, kann in einem anderen Land kontraproduktiv sein. Darüber hinaus können Vermögenswerte, die heute als umweltfreundlich gelten, morgen in einem anderen Licht erscheinen. Auch die geplante Schaffung von Standards – beispielsweise für Green Bonds – ist zu begrüßen. Zwar gibt es mit den „Green Bond Principles“ und der Zertifizierung der „Climate Bonds Initiative“ bereits zwei Industrielösungen, die sich am Markt etabliert haben. Gleichwohl besteht auf Investorenseite der Wunsch nach Leitlinien, die noch klarer und verbindlicher sind. Regulatorische Standards könnten die noch bestehende Unsicherheit beseitigen und damit weitere Kapitalflüsse in nachhaltige Investments lenken. Dabei geht es um maßvoll dosierte gesetzliche Eingriffe, die zur Standardisierung beitragen und berücksichtigen, dass es bereits wertvolle Industrieinitiativen gibt. Oberstes Ziel jeder Initiative muss sein, Innovation und den dynamisch wachsenden Markt nicht abzuwürgen.

Die Idee der Europäischen Kommission, die Kapitalströme in nachhaltige Investments durch geringere Eigenkapitalunterlegungspflichten für Banken und Versicherungen zu forcieren, ist umstritten.

Während solche Anreize bei manchen Marktteilnehmern als wünschenswert gelten, befürchten andere einen Missbrauch des aufsichtlichen Regelwerks, Fehlallokation und Blasenbildung. Aus Sicht der Pfandbriefbanken ist es in diesem Zusammenhang sinnvoll zunächst zu prüfen, ob der Zusammenhang zwischen grünen Vermögenswerten und einem geringeren (Ausfall-)Risiko tatsächlich besteht. Dieses Ziel verfolgt die EeMAP-Initiative des Europäischen Hypothekenverbandes. Im Rahmen des „Energy efficient Mortgages Action Plan“ soll eine sogenannte „Green Mortgage“ definiert und in den Bankprozessen von der Kreditvergabe bis zur Refinanzierung implementiert werden. In der bereits im Juni beginnenden, mehrjährigen Pilotphase wird analysiert, ob mit solchen Finanzierungen eine niedrigere Ausfallwahrscheinlichkeit und/oder Ausfallschwere einhergeht. Nur wenn sich ein solcher Zusammenhang nachweisen lässt, kann eine besondere Anerkennung im Rahmen der Eigenkapitalunterlegung in Betracht gezogen werden.

Kombination von Tradition und Innovation

Mit ihrer großen Tradition und ihrem bedeutenden Pfandbriefumlauf ist die Berlin Hyp nicht nur eine der führenden deutschen Immobilien- und Pfandbriefbanken, sondern auch ein Vorreiter bei der Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Bereits 2015 hat die Bank den ersten „Grünen Pfandbrief“ aufgelegt. Damit und mit der organischen Erschließung des Marktpotenzials durch systematische Folgeaktivitäten auch im ungedeckten Bereich, leistet sie Pionierarbeit in diesem noch jungen Marktsegment. Der Erfolg der Berlin Hyp in dem durch Niedrigzinsen und EZB-Kaufprogrammen sowie gestiegenen regulatorischen Anforderungen geprägten Umfeld belegt, dass Tradition und Innovation vortrefflich zueinander passen und Hand in Hand gehen können, wenn der Wandel der gesellschaftlichen Ziele akzeptiert wird und die erforderlichen Weichenstellungen aktiv und frühzeitig vorgenommen werden.

Die Harmonisierung von Covered Bonds und die Finanzierung nachhaltigen Wachstums sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie die Pfandbriefbanken gemeinsam mit der Politik an der Weiterentwicklung des Pfandbriefs arbeiten, um die Attraktivität und Qualität des Produkts   zu bewahren und die Finanzierung der Realwirtschaft zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden die Pfandbriefbanken und ihr Verband ihre Stimme auch in Zukunft erheben.