#vdpmeetsgreen: Interview mit Dr. Joachim von Schorlemer

Dr. Joachim von Schorlemer Stellv. Vorstandsvorsitzender, ING Deutschland

Die COVID-19-Krise hat in den vergangenen Monaten weltweit den öffentlichen Diskurs geprägt und die Klimakrise etwas verdrängt. Wie bewerten Sie die zukünftige Bedeutung der Klimakrise nach dem Ende der Pandemie?

Die Pandemie muss als Weckruf verstanden werden, der uns die Verletzlichkeit unser hoch-technologisierten Welt vor Augen führt. Gleichzeitig hat sie auch gezeigt, dass Strukturen und Abläufe schnell und erfolgreich verändert werden können, etwa im Bereich des mobilen Arbeitens.

Die Überwindung der Pandemie und der  Kampf gegen die Klimakrise stehen nicht im Widerspruch: Die Europäische Union hat es vorgemacht und fördert mit ihrem Post-COVID-Konjunkturpaket „NextGenerationEU“ Klimainnovationen und Klimaschutzmaßnahmen.

Nachhaltigkeit liegt nicht nur in den Händen der Politik. Was kann und muss die Finanzwirtschaft leisten?

Banken haben als Dienstleister selbst einen recht geringen CO2-Fußabdruck. Aufgabe der Finanzindustrie ist es, die Transformation der Realwirtschaft hin zu Klimaneutralität zu finanzieren. Hier sehen wir unseren größten Hebel – unser Kreditgeschäft.

In der Begleitung unserer Firmenkunden auf dem Weg zur Klimaneutralität nutzen wir zum einen positive Anreize. Dafür entwickeln wir innovative Produkte und Dienstleistungen: wir haben beispielsweise bereits 2017 die ersten nachhaltigkeitsgekoppelten Darlehen angeboten, bei denen der Darlehenszins an die Verbesserung bestimmter Nachhaltigkeitskriterien gekoppelt wird. Darüber hinaus beraten wir unsere Kunden auf ihrem Transformationsweg, indem wir ihre Kapitalstrukturen und ihren Investitions- und Veräußerungsbedarf analysieren, um die eigenen Klimaambitionen, aber auch regulatorische Anforderungen und die Erwartungen der Anleger zu erfüllen. Auf der anderen Seite entscheiden wir uns auch bewusst dafür, bestimmte Geschäfte nicht mehr zu machen, etwa im Bereich der Braunkohlefinanzierung.

Gleichzeitig ist auch klar: Kein einzelner Sektor, geschweige denn eine Bank, kann die Klimakrise allein lösen. Wir brauchen klare regulatorische Rahmenbedingungen und begrüßen daher sehr den wachsenden Gestaltungswillen der Politik.

Was haben Sie im Bereich Sustainable Finance bereits strategisch erreicht und was sind Ihre Ziele?

Bereits 2018 haben wir uns auf Gruppenebene öffentlich verpflichtet, unser gesamtes Kreditportfolio – von rund 600 Milliarden Euro – nach den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten. Wir nennen diesen Ansatz den Terra Ansatz und haben im September unseren dritten Fortschrittsbericht veröffentlicht, den „Climate Report“.

Ergänzend dazu sind wir im August der Net-Zero Banking Alliance beigetreten, weil wir davon überzeigt sind, dass im Bereich Sustainable Finance kooperative Ansätze zum Ziel führen.

Wir wollen vom Marktteilnehmer zum verantwortungsvollen Gestalter werden. Wir handeln nicht (nur) aus ökologischer Überzeugung: Denn die Unternehmen, die die Transformation heute erfolgreich angehen, werden die Gewinner der Wirtschaft von morgen sein. Diese Marschrichtung wird auch durch unsere niederländische Konzernmutter vorgegeben. Unser Gruppen-CEO Steven van Rijswijk hat das gut auf den Punkt gebracht:

“We believe sustainable business is better business – and that all financing will ultimately be sustainable finance.”